Dienstag, 10. Januar 2017

Christian Weber ruft zu mehr Empathie und Wahrhaftigkeit auf

Bürgerschaftspräsident Christian Weber sieht unser freiheitliches, von Humanismus getragenes, demokratisches Wertesystem gefährdet. „In Amerika und auch in Europa gibt es inzwischen einflussreiche Politiker und Parteien, die offensichtlich darauf pfeifen“, sagte er heute (10. Januar) während des Neujahrsempfangs der Bremischen Bürgerschaft.

Christian Weber bei seiner Neujahrsrede

Zum wesentlichen Störenfried sei der Rechtsaußen-Populismus geworden. Ihre Protagonisten begnügten sich damit – aus Kalkül oder aus Dummheit – Ressentiments zu schüren, Tabus zu brechen, Verschwörungstheorien zu verbreiten und zur Lüge zu greifen. Sie erzögen sich eine Wählerschaft, der es schon eine Befriedigung sei, Vorurteile bestätigt zu bekommen. „Das ist töricht und eine verhängnisvolle Entwicklung – und wir müssen auf der Hut sein, dass uns das vermeintliche ‚postfaktische‘  Zeitalter mit seinem religiös motivierten Fanatismus nicht in eine postdemokratische Epoche entgleitet“, betonte er vor 500 Gästen aus Politik, Wirtschaft und Kultur.

Es vergrößere sich die Schar derjenigen, die die Menschen für dumm verkauften und mit Schein-Wahrheiten köderten. „Wir können das Potential an Leuten, die Politik und Demokratie verachten und als fremdenfeindlich bis rassistisch auffallen, nicht  ignorieren – vor allem auch deshalb nicht, weil sie sich längst in der Mitte der Gesellschaft bewegen und nicht bloß an den Rändern“, meinte Weber. Das Misstrauen in die Redlichkeit von Politikern nehme ständig zu, und es gehe das verloren, was ein demokratisches, auf Repräsentation beruhendes System am dringendsten benötige: Vertrauen.

Der Präsident führte aus, dass viele Menschen von ihrer Arbeit allein nicht mehr anständig leben könnten und auf staatliche Transferleistungen angewiesen seien. Die Betroffenen empfänden das als Kränkung. Für eine Gesellschaft, die sich die soziale Marktwirtschaft auf die Fahnen schreibt, sei das ein Armutszeugnis. Christian Weber wörtlich: „Ich frage mich ernsthaft, ob uns, denen es relativ gut geht, ob den Entscheidern und Machern nicht längst die Empathie für den Durchschnittsmenschen fehlt. Ich zweifele daran, dass wir uns in jene Frauen und Männer hineinversetzen können, die nicht zu ‚denen da oben‘  gehören.“

Diese Menschen fühlten sie sich in ihren elementaren Lebensbedürfnissen bedroht: eine bezahlbare Wohnung in einem Quartier, eine unbefristete  Arbeitsstelle, ein Umfeld, das eine gute Erziehung der Kinder ermöglicht, ordentliche Ausbildungsplätze und eine ausreichende medizinische Versorgung. Das sei alles nicht zu viel verlangt – „auch nicht unser  Bemühen, den Suchenden und Besorgten mit Empathie, Wärme und Wahrhaftigkeit zu begegnen“.

Deutschland, so Christian Weber, sei eine offene, demokratische, auf Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenrechten basierende Gesellschaft und müsse es bleiben. „Die Meinungsfreiheit schützt rechtspopulistische Parolen, aber sie schützt auch uns, wenn wir energisch widersprechen, unsere Werte verteidigen und standhalten.“