Samstag, 14. Oktober 2023

Die letzten Monate des Parlaments 1933: Bürgerschaft erinnert an Auflösung vor 90 Jahren

Per Rundfunkansprache verkündete Adolf Hitler am 14. Oktober 1933 die Auflösung aller deutschen Landtage. Spätestens mit dieser Bekanntmachung war das Ende der Demokratie auch formal besiegelt. Doch der Auflösungsprozess hatte sich bereits viele Monate zuvor angekündigt. Die Bremische Bürgerschaft hat an dieses historische Ereignis vor 90 Jahren heute (14.10) mit einer Veranstaltung erinnert.

Neben Präsidentin Antje Grotheer sprachen...

Historiker Dr. Dieter Fricke...

und Rechtswissenschaftlerin Pro. Dr. Pia A. Lange.

"Der 14. Oktober 1933 war ein Sonnabend, die Bremerinnen und Bremer freuten sich auf den bevorstehenden freien Sonntag.  Es war ein kühler, schon herbstlicher Tag, trocken, leicht bewölkt, bei ca. 15 Grad. Man bummelte durch den Bürgerpark oder an den Osterdeich-Wiesen entlang oder man erledigte Einkäufe in den vielen Geschäften der Altstadt, die Straßenbahnen ratterten über den Marktplatz in die unterschiedlichsten Richtungen", beschreibt Gastredner Dr. Dieter Fricke den Tag in Bremen, an dem die Demokratie offiziell ihr Ende fand.

Der Historiker hat für das Ereignis vor 90 Jahren die letzten Monate der Bremischen Bürgerschaft recherchiert. Bereits mit der Wahl Adolf Hitlers zum Reichskanzler im Januar 1933 hatte das Ende des föderalen Parlamentarismus eingesetzt. Bereits im März 1933 wird die Auflösung auf Antrag der NSDAP beschlossen. Die letzte Sitzung ist nur noch eine Farce: Viele kommunistische Abgeordnete fehlen bereits.

Mit der Verabschiedung des "Gesetzes zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich" am 31. März 1933 werden alle Landesparlamente aufgelöst, sie sollen nach den Ergebmissen der Reichstagswahl neu zusammengesetzt werden. Am 28. April tagt die Bürgerschaft schließlich zum letzten Mal. Doch die konstituierende Sitzung hat nichts mehr mit demokratischen Wahlen zu tun: Die Abgeordneten werden einfach bestimmt.

Die Ankündigung der endgültigen Auflösung am 14.Oktober 1933 war schließlich nur noch ein Verwaltungsakt. Historiker Fricke: "Die Geschichte der Bremischen Bürgerschaft endete heute vor 90 Jahren ziemlich sang- und klanglos. Der schleichende Untergang der Weimarer Republik vollzog sich in kleinen und größeren Schritten, bis von der Demokratie nichts mehr übrig war."

Bürgerschaftspräsidentin Antje Grotheer machte in ihrer Begrüßung im Festsaal der Bürgerschaft vor über 100 Gästen deutlich, dass die Demokratie auch heute eine fragile Herrschaftsform sei: "Die Ereignisse von damals erinnern uns daran, wie schnell die Grundprinzipien unserer Demokratie untergraben werden können, wenn wir nicht wachsam sind. Wir dürfen auch heute nicht zuschauen, wenn die Grundwerte unserer Gesellschaft in Gefahr geraten. Wir alle tragen die Verantwortung, aktiv für unsere Werte einzustehen und die Demokratie zu verteidigen."

Als weitere Gastrednerin schlug auch die Bremer Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Pia A. Lange den Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart und Zukunft. Lange skizzierte in ihrem Vortrag, inwiefern den Schwächen der Verfassung in der Weimarer Republik durch die Mütter und Väter des Grundgesetzes Rechnung durch eine Vielzahl von Regelungen getragen wurde. Die wichtigste Innovation des Grundgesetzes sei die Schaffung einer Verfassungsgerichtsbarkeit gewesen. "Das im Jahr 1951 errichtete Bundesverfassungsgericht hat sich durch seine Rechtsprechung insbesondere im Bereich des Grundrechtsschutzes zu einem, wenn nicht zu dem einflussreichsten Verfassungsgericht in der Welt entwickelt, dass in vielen Ländern bei der Konzeption der Verfassungsgerichtsbarkeit als Vorbild fungierte", so die Bremer Juristin.

Gleichwohl machte Lange deutlich, dass der Bestand der freiheitlichen demokratischen Ordnung nicht allein durch eine gute Verfassung garantiert sei: "Eine Demokratie als eine Herrschaft durch das Volk wird nur bestehen können, wenn die Menschen auch bereit sind, sich aktiv für sie einzusetzen. Das Wahlrecht in der Demokratie ist in diesem Sinne nicht nur ein Wahlrecht, sondern, zwar nicht rechtlich, wohl aber moralisch eine Wahlpflicht."

Zur Demokratie gehörten gewisse Zumutungen, unter anderem auch die, andere Meinungen aushalten zu müssen und auch selbst Kritik und Widerspruch an der eigenen Meinung hinzunehmen. Der Appell von Prof. Dr. Lange: "Gehen Sie mit Ihren schärfsten Kritikern erst hart ins Gericht und dann ins Theater."

Die Recherchen des Historikers Dr. Dieter Fricke über die letzten Monate der Bremischen Bürgerschaft "14. Oktober 1933 – als der Bremischen Bürgerschaft der Garaus gemacht wurde!“ sind Teil der geplanten Neufassung der Broschüre "Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht – Verfolgte Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft in biographischen Skizzen".



Der Vortrag von Dr. Fricke kann als pdf-Datei heruntergeladen werden.


Dateien:
Vortrag_Fricke.pdf171 K