Donnerstag, 18. Juni 2020

Vor 100 Jahren: Erste Sitzung der Bürgerschaft

„Meine sehr geehrte Damen und Herren, die Wahlen zur Bürgerschaft haben stattgefunden, und an uns liegt es selbstverständlich jetzt, die Geschäfte zu übernehmen und das zu tun, was die Wähler von uns wünschen, nämlich zu arbeiten zum Wohle der Gesamtheit der  Bremer Wählerschaft.“ - Mit diesen Worten eröffnete Alterspräsident Johann Hinrich Schmalfeldt vor genau 100 Jahren, am 18. Juni 1920, die konstituierende Sitzung der ersten frei gewählten Bremischen Bürgerschaft in der Neuen Börse.

Säulenhalle in der Neuen Börse

Die Geburtsstunde des Parlaments fiel in eine unruhige Zeit: Der Erste Weltkrieg war vorbei, aber innenpolitisch rumorte es, Linke und Rechte lieferten sich Straßenschlachten. Eine Bremer Nationalversammlung wurde für den 1. April 1919 einberufen. Sie bestand aus 200 Mitgliedern und sollte für Bremen einen zukunftsträchtige Verfassung ausarbeiten. Vorsitzender war Richard Dunkel, der als Vertreter der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) 1920 dann auch Präsident der Bremischen Bürgerschaft wurde.

Die Bremer Nationalversammlung verabschiedete im Mai 1920 eine bremische Verfassung, die maßgeblich von Theodor Spitta erarbeitet worden war und bis 1933 galt.  Unter anderem hatte Spitta, der der DDP angehörte, in seinem Text formuliert, dass eine „allgemeine, gleiche und geheime“ Abstimmung für jede Bürgerin und jeden Bürger Bremens garantiert sei. Zudem wurde in dieser Verfassung beispielsweise auch die Einsetzung von Deputationen festgeschrieben. Das Acht-Klassen-Wahlrecht gehörte endgültig der Vergangenheit an.

Am 6. Juni 1920 war es dann so weit – in Bremen wurde ein Parlament gewählt, das sich zwölf Tages später konstituierte. In dieser konstituierenden Sitzung zeigte sich, dass die USPD, die unabhängigen Sozialdemokraten, zwar den größten Stimmenanteil erzielt hatten, die stärkste Fraktion stellten und damit Anspruch auf das Präsidentenamt hatten - aber gar nicht wollten. Und so kam es, dass Richard Dunkel gewählt wurde, der bereits der Präsident der Bremer Nationalversammlung gewesen war.

Wie auch heute noch üblich, eröffnete der älteste Abgeordnete die erste Sitzung am 18. Juni 1920. Johann Hinrich Schmalfeldt, Jahrgang 1850, hatte damit das erste Wort im Hohen Haus.