Thursday, 09. November 2023

Erinnerung an die Opfer der Novemberpogrome zum 85. Jahrestag

Zum 85. Jahrestag haben Mitglieder der Bremischen Bürgerschaft bei einer Gedenkstunde am Mahnmal in der Dechanatstraße der Opfer der Pogrome vom 9. November 1938 gedacht. Fünf Bremer Jüdinnen und Juden waren in dieser Nacht von den Nationalsozialisten ermordet worden. Präsidentin Antje Grotheer erinnerte in ihrer Rede sowohl an die Opfer von 1938 als auch an die Getöteten des Terrorüberfalls der Hamas auf Israel vom 7. Oktober dieses Jahres.

Die Gäste der Veranstaltung stehen dicht gedrängt in einem Halbkreis und hören zu. Fast alle sind dunkel gekleidet.

Tova Pagi steht am Rednerpult und spricht. Sie hält einen Zettel in ihren Händen. Sie trägt eine Brille und einen langen, roten Schal.

Christine Schnittker, Antje Grotheer und Sahhanim Görgü-Philipp stehen mit gefalteten Händen andächtig vor dem Mahnmal. Vor ihnen auf dem Boden liegt ein Kranz mit Schleife sowie weißen und roten Rosen. Im Hintergrund stehen Zuschauer.

Die Nacht war ein barbarischer Akt des Hasses und der Zerstörung, der die Schrecken des Holocausts ankündigte. Auch in Bremen und Bremerhaven, so Grotheer über die Pogrome vom 9. November 1938. Sorge bereiten ihr aber auch die aktuellen Entwicklungen in Deutschland. Auch wenn die Anzahl der antisemitischen Straftaten einen leichten Rückgang erfahren habe, sei besonders die Zahl der extremen Straftaten angestiegen, die tödliche und schwere Gewalt beinhalten, betonte die Präsidentin in ihrer Rede.

Im Hinblick auf den Terrorangriff gegen Israel durch die Hamas vom 7. Oktober und die Folgen warb Grotheer für Solidarität mit Juden und Jüdinnen. Es sei wichtig hinzuschauen, denn auch 78 Jahre nach dem Ende des Holocausts hätten Menschen jüdischen Glaubens immer noch keinen sicheren Ort: „Wir alle stehen in der Verantwortung, alles dafür zu tun, um diesen sicheren Ort zu schaffen.

Als Gastrednerin zur Gedenkstunde war Tova Pagi, eine Überlebende des Holocausts aus Haifa in Israel angereist. Pagi ist die jüdische Tochter eines Schmuckhändlers und einer Haushaltshelferin. 1933 geboren in einem kleinen polnischen Ort im Jahre der Machtergreifung der NSDAP, mussten ihre Eltern sie mit nur neun Jahren vor den Nationalsozialisten bei einer polnischen Familie verstecken. Pagi überlebte anschließend Arbeitslager, Konzentrationslager und einen Todesmarsch. Im Sommer 1947 siedelte sie mit ihrer Mutter nach Israel über. Die 90-Jährige lebt heute mit einer großen Familie in Haifa und setzt sich als Zeitzeugin für eine starke Erinnerungskultur ein.

Trotz der aktuellen politischen Lage in Israel reiste sie mit ihrer Tochter zur Gedenkveranstaltung an: „Ich bin hier, weil ich als Kind die schrecklichen Ereignisse vor mehr als achtzig Jahren miterlebt habe. Aber was ich Ihnen wirklich gerne mitgeben möchte, ist das Zeugnis eines Kindes, das in dieser schrecklichen Zeit durch die Hölle gegangen ist, aber den Glauben an die Menschheit nicht verloren hat“. In ihrer Rede betonte Pagi die kleinen Momente in ihrer Kindheit, in denen ihr wenige mutige Menschen Hilfe entgegengebrachten und so Mitgefühl bewiesen hätten.

Gemeinsam mit den Vizepräsidentinnen Sahhanim Görgü-Philipp und Christine Schnittker legte Grotheer einen Kranz am Mahnmal nieder. Landesrabbiner Netanel Teitelbaum schloss die Veranstaltung mit einem Gebet.

Auch in diesem Jahr wurde das Gedenken an die Opfer der Reichspogromnacht am Mahnmal in der Dechanatstraße durch eine Schulkooperation erweitert. Bereits vor der Gedenkstunde stellten Schüler:innen der Oberschule Kurt Schumacher Allee in der Vahr Projektarbeiten zu Aspekten des Widerstandes gegen das NS-Regime vor. Fünf Oberstufenkurse beschäftigten sich darin unter anderem intensiv mit Widerstandskämpfer:innen, die heute viele Straßennamen im Stadtteil prägen. Grotheer war bei der Präsentation in der Aula der Oberschule anwesend und tauschte sich mit den Schüler:innen über die Projektergebnisse und den ansteigenden Antisemitismus in Deutschland aus.

Die Reden von Präsidentin Grotheer und Tova Pagi finden Sie hier.