Mittwoch, 13. März 2013

Studie der Bremischen Bürgerschaft: NS-Vergangenheit früherer Abgeordneter lichtet sich

Die NS-Vergangenheit früherer Mitglieder der Bremischen Bürgerschaft unterscheidet sich nicht wesentlich von der NS-Belastung bei früheren Parlamentariern in den Flächenländern der Bundesrepublik. Das geht aus dem Zwischenbericht einer entsprechenden wissenschaftlichen Studie hervor, die die Bremische Bürgerschaft vor einem Jahr in Auftrag gegeben hat.

„Nach den bisherigen Ermittlungen und Auswertungen einschlägiger Daten lässt sich für unser Haus sagen: Es wurde kein Hinweis gefunden, dass einem ehemaligen Abgeordneten die persönliche Beteiligung an einem NS-Gewaltverbrechen vorgeworfen worden sei oder vorzuwerfen wäre. Das finde ich sehr beruhigend“, betonte Bürgerschaftspräsident Christian Weber. Er hatte gemeinsam mit dem Vorstand der Bürgerschaft die Initiative ergriffen und das Forschungsprojekt zum Parlament des Zwei-Städte-Staats in Auftrag gegeben.

Die Bremer Studie steht in dieser Woche im Zentrum einer großen wissenschaftlichen Fachtagung im Hessischen Landtag. Dr. Konrad Elmshäuser, Leitender Direktor des Staatsarchivs Bremen, wird das Projekt und die bisherige Dokumentation der Abgeordnetenbiografien vorstellen. Das Vorhaben hat bereits hohe Aufmerksamkeit in der interessierten Öffentlichkeit erregt, unter anderem im Deutschen Bundestag, der ähnliche Nachforschungen für das Hohe Haus plant. Die Untersuchung, mit der die Bremische Bürgerschaft den Historiker Dr. Karl Ludwig Sommer beauftragte, umfasst alle seit April 1946 der Bürgerschaft angehörenden Abgeordneten, die bei Kriegsende das 17. Lebensjahr vollendet hatten, also alle früheren Parlamentarier der Geburtsjahrgänge bis einschließlich 1928. Insgesamt handelt es sich um 426 Frauen und Männer. Aus dieser Gruppe wurden laut Zwischenbericht 107 formal Betroffene identifiziert - das heißt, bei ihnen wurde eine Mitgliedschaft in der NSDAP und/oder NS-Organisationen festgestellt. Darunter befanden sich auch Angehörige der SA und SS.

Im Gegensatz zu anderen deutschen Ländern ist die Quellenlage in Bremen, was die NS-Belastung von Politikern der ersten Legislaturperioden anbelangt, bislang sehr unzureichend. Dies gilt vor allem für die ernannte Bürgerschaft vom 17. April 1946 und die erste gewählte Bürgerschaft vom 13. Oktober 1946, für die wissenschaftliche Handbücher fehlen. „Ich bin deshalb froh, dass wir mit unserem Projekt jetzt verlässliche, gesicherte Basisinformationen bekommen, die Unsicherheiten im Umgang mit unserer NS-Vergangenheit beseitigen“, meinte Christian Weber. Es zeichne sich ab, dass die Zugehörigkeit ehemaliger Abgeordneter zur NSDAP oder zu NS-Organisationen nach 1946 nicht zu einer feststellbaren Einflussnahme auf das parlamentarische Geschehen, gar auf die Politik in der bremischen Nachkriegsgesellschaft geführt habe. Der Bürgerschaftspräsident: „Die Investition in die Studie, die unsere ‚braune‘ Vergangenheit offen legt, hat sich sehr wohl gelohnt.“      

Der endgültige Bericht „NS-Vergangenheit früherer Mitglieder der Bremischen Bürgerschaft“ wird im Frühjahr 2014 vorgelegt.