Dienstag, 05. Januar 2016

Bürgerschaftspräsident macht Mut zur Integration

Ein Foto von Christian Weber bei seiner Neujahrsrede

Bürgerschaftspräsident Christian Weber bei seiner Neujahrsrede

Bürgerschaftspräsident Christian Weber hat die Bremerinnen und Bremer aufgerufen, ihre republikanische Wachsamkeit zu bewahren und weiter zu schärfen. Gleichzeitig kritisierte er eine zunehmende Ignoranz in der Bevölkerung, was den Umgang mit dem Wahlrecht anbelangt. Während des Neujahrsempfangs der Bremischen Bürgerschaft (5. Januar) wies er vor 400 Gästen aus allen Teilen der Gesellschaft darauf hin, dass Deutschland bei der gegenwärtig dringendsten Aufgabe, nämlich Flüchtlinge zu integrieren, nicht bei null anfange.

Trotz aller Konflikte und Widerstände, trotz aller Gewalt bis hin zum Terror der NSU sei Deutschland zu einem Einwanderungsland geworden, „weil die Mehrheit der Bevölkerung darin nicht nur Herausforderung sah, sondern zunehmend Gewinn“. Er erinnerte an die gelungene Integration der sogenannten Gastarbeiter, die millionenfach in der neuen Heimat blieben und ihre Familien nachholten. Die deutsche Wirtschaft sei noch heute von den Zuwanderern aus Italien, Spanien, Griechenland und der Türkei und ihren Kindern geprägt. „Ohne die Zuwanderungen früherer Zeiten hätten wir heute bereits ein wesentlich größeres demografisches Problem, wären wir eine ganz andere Gesellschaft.“ Die Integrationsleistungen seien wohl ein Grund dafür, „dass sich die demokratische Mitte in unserem Land als stabil erweist und nicht, wie in vielen europäischen Ländern, von rechten oder linken Rändern aus zersetzt wird.“ Wehrhafte Demokraten hätten es in der Hand, dass es so bliebe; sie könnten viel bewegen und auch verhindern.

Weber ging noch einmal auf die Bürgerschaftswahl im Mai 2015 ein: „Dass inzwischen die Hälfte der bremischen Wähler eine Ohne-mich-Haltung einnimmt, ist ein gefährlicher Rückschritt, der uns die Legitimation als Volksvertreter zunehmend entzieht.“ Manchmal überkomme ihn Zorn, wenn er merke, wie gedankenlos und leichtfertig viele Menschen in einem aufgeklärten Staat mit dem Wahlrecht umgingen. „Ich möchte jedenfalls nicht erleben, dass wir uns auf die freie, gleiche und geheime Wahl erst dann besinnen, wenn wir die Demokratie wieder verloren haben. Bitte mehr Gewissenhaftigkeit und Geschichtsbewusstsein!“ Selbstkritisch meinte er: „Ein großes Hindernis haben wir Politikerinnen und Politiker selbst errichtet. Eine latente Entfernung und Entfremdung von den Wählern.“ Die Politik solle sich mit Ehrlichkeit, Klugheit und Besonnenheit wieder Respekt verschaffen, ihre Aufmerksamkeit mehr auf die Mutmacher als auf die Mahner richten. Sie müsse die Menschen ernst nehmen und einbinden, so dass die Bevölkerung ihr die Lösung von Problemen wieder zutraue. Es stehe außer Frage, dass Modelle der Teilhabe und Formen der Partizipation für das Volk weiterzuentwickeln seien. „Die repräsentative Demokratie ist für mich nicht verhandelbar.“


Die komplette Rede als PDF können Sie hier herunterladen.