Donnerstag, 21. April 2016

"Hans Koschnick war uns allen ein Vorbild"

Die Bremische Bürgerschaft trauert um den früheren Bremer Bürgermeister Hans Koschnick. Gerechtigkeit und Glaubwürdigkeit bildeten die Kernanliegen im politischen Handeln von Hans Koschnick. Er gehörte zu den ersten deutschen Politikern, die in Israel, Polen und Jugoslawien Kontakte und Gespräche suchten und alsbald Städtepartnerschaften initiierten.

Porträtfoto des früheren Bürgermeisters Hans Koschnick

Hans Koschnick

Bürgerschaftspräsident Christian Weber unterbrach die 19. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag) für eine kurze Ansprache und eine Schweigeminute:

"Vielen war er ein Vorbild, auch eine Art Volkstribun. Seine Volksnähe war fühlbar. Er teilte mit den Bürgerinnen und Bürgern gerne die Freuden, aber auch die Sorgen und Nöte; er stellte sich jeder Verantwortung, selbst wenn sie für ihn bittere Folgen hatte. Hans Koschnick, der letzte Bremer Politiker von staatsmännischem Format und mit internationaler Ausstrahlung, ist heute Morgen gestorben. Die Bremische Bürgerschaft trauert um einen großen Politiker der alten Schule, authentischen Sozialdemokraten, Bremens Ehrenbürger und herzensguten Menschen. Unser Mitgefühl gilt seiner Familie, insbesondere seiner Ehefrau Christine, die für ihn mehr war als Partnerin und Beraterin, nämlich eine couragierte Mitstreiterin insbesondere auf dem Gebiet der Aussöhnung und Völkerverständigung."

Hans Koschnick, dessen Eltern von den Nazis verfolgt und interniert wurden und dessen Jugend von Entbehrungen und Bombenhagel geprägt war, übernahm schon sehr früh Verantwortung. Seine Konsequenz aus den Schrecken des Zweiten Weltkriegs lautete: Obacht geben und sich engagieren, damit so etwas niemals wieder passiert. Mit 26 Jahren wurde er der jüngste  Abgeordnete, der in die Bremische Bürgerschaft einzog. Im Landesparlament blieb er sieben Jahre lang, um dann in die Exekutive zu wechseln. Als 37-jährigen wählte man ihn zum Bürgermeister und Präsidenten des Senats. Seine weiteren Stationen in der Politik, die ihm Berufung war: Stellvertreter von Willy Brandt in der Bundes-SPD, Europäischer Administrator der Stadt Mostar in Bosnien-Herzegowina, Gründer des Europäischen Freiwilligendienstes und Bundestagsabgeordneter. Unvergessen bleibt sein wegweisender Einsatz für den Verein „Gegen Vergessen - Für Demokratie".

Gerechtigkeit und Glaubwürdigkeit bildeten die Kernanliegen im politischen Handeln Koschnicks. Mit Nachdruck lebte und pflegte er die Solidarität mit jenen Völkern, die Opfer des Nazi-Terrors geworden waren. Er gehörte zu den ersten deutschen Politikern, die in Israel, Polen und  Jugoslawien Kontakte und Gespräche suchten und alsbald Städtepartnerschaften initiierten. Seine frühen Botschaften: Es gibt in Deutschland durchaus viele Menschen, die sich nicht am kollektiven Verdrängungseffekt beteiligen und die die Schuld Deutschlands anerkennen. Koschnick selbst fiel von Anfang an als Vorkämpfer für das gewollte Miteinander der Völker in Europa auf.

Am Lebensende stellte Hans Koschnick sorgenvoll einen starken Prozess von Unverständnis für das Unbekannte bis hin zur Fremdenfeindlichkeit in der deutschen Bevölkerung fest. Originalton Koschnick: „Man kann die eigenen Probleme gut abladen, wenn man den Beelzebub beim anderen findet."

Hans Koschnick, der Brückenbauer, wird uns allen sehr fehlen.

Im Foyer der Bremischen Bürgerschaft liegt ein Kondolenzbuch aus.