Dienstag, 16. April 2013

Weniger Frauen durch Personenwahlrecht?

Symboldarstellung Gleichstellung von Frau und Mann Insgesamt hat das neue Personenwahlrecht den Frauen sechs Sitze  weniger in der Bürgerschaft beschert. Führt das neue Wahlrecht in Bremen zu einer Benachteiligung von Frauen im Parlament? Werden Frauenquoten durch das Personenwahlrecht „ausgehebelt“? Diese Schlussfolgerung legen die Zahlen nahe, die Jan Morgenstern vom Statischen Landesamt auf einer Veranstaltung des Gleichstellungsausschusses in der Bremischen Bürgerschaft vorstellte.

 

Bremen liege zwar mit einem Anteil von mehr als 45 % weiblicher Abgeordneter in der Stadtbürgerschaft im innerdeutschen Vergleich fast ganz vorn. Durch das neue Personenwahlrecht hätten sich die Verhältnisse aber zu Ungunsten von Frauen verschoben.


Die Vergabe von Doppelstimmen bewirkte, dass Frauen auf den Listen eher nach unten und Männer nach oben wanderten. Das Ergebnis war, dass zwei Frauen weniger und zwei Männer mehr in die Stadtbürgerschaft einzogen, als dies bei unveränderlichen Listen der Fall gewesen wäre.
Jan Morgenstern bestätigte, dass beim Personenwahlrecht Frauen eher „herunter„ und Männer eher „herauf“ gewählt“ würden. Wenn Frauen ausscheiden, rückten meist Männer nach.

Raphael Magin, Autor des Buches „Die geringere Hälfte“, referierte auch über die Erscheinungsformen, Entwicklungen und Ursachen der Unterrepräsentation von Frauen in deutschen Parlamenten seit 1919. Nach der Einführung des Frauenwahlrechts 1919 bewegte sich der Frauenanteil unter den Abgeordneten der deutschen Länder und Kommunen sowie im Bund über 60 Jahre hinweg bei durchschnittlich maximal 10 Prozent. Durch gesellschaftliche Veränderungen und einen Wandel der Wertvorstellungen, mehr Bildung und Erwerbstätigkeit bei Frauen, die rechtliche Gleichstellung sowie natürlich die Mobilisierung durch die Frauenbewegung und die Einführung der freiwilligen Quoten in einigen Parteien - stieg der Frauenanteil bis Ende der Neunziger kontinuierlich bis auf durchschnittlich knapp ein Drittel an und stagniert seitdem auf diesem Niveau.

In der anschließenden Diskussion kamen viele offene Fragen in Bezug auf Ursachen und mögliche Lösungen zur Sprache: Haben die Wählerinnen und Wähler das neue Wahlrecht überhaupt verstanden? Wie können die weiblichen Kandidatinnen im Wahlkampf besser unterstützt werden? Wie kann man dafür sorgen, dass mehr Frauen kandidieren? Was bedeutet das neue Wahlrecht in Bezug auf die Chancen von Frauen mit Migrationshintergrund? Welche Formen des Engagements versprechen am ehesten Erfolg? Und: Wenn Frauen nicht  vom Personenwahlrecht profitieren, welche Instrumente könnten als Korrektiv wirken? In den Ländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wurde eine gesetzlich verankerte Quote diskutiert. Als Korrektiv könnte auch eine Wahlkampfkostenerstattung dienen, die Frauenförderung belohnt.

Die Veranstaltungsteilnehmerinnen und -teilnehmer waren sich einig: Wichtiger Motor für mehr Frauen in den Parlamenten ist gesellschaftliche Akzeptanz. So können es sich die Parteien heute nicht mehr leisten, einen gewissen Prozentsatz an weiblichen Kandidaten zu unterschreiten.