Mittwoch, 27. Mai 2015

Ist das gegenwärtige Bremer Wahlsystem verfassungswidrig?

Das neue Bremer Wahlsystem offenbarte bereits bei der Bürgerschaftswahl 2011 eine  Reihe von Schwächen, die sich bei der jetzigen Wahl noch verstärkt haben. Auch mit Blick auf die schwache Wahlbeteiligung ist unter den Parteien eine Diskussion über eine notwendige Reform entbrannt.  Aus wissenschaftlicher Perspektive muss sich die Aufmerksamkeit darüber hinaus auf die problematischen systemimmanenten Effekte des Wahlsystems bei der Mandatszuteilung konzentrieren. Die Fremdverwertung von Personenstimmen der Listenmandatsträger zugunsten anderer Kandidat/innen kommt einer Wählertäuschung gleich: Stimmen, die für konkrete Personen abgegeben werden, kommen in der Regel nicht diesen, sondern anderen Kandidat/innen zugute. Direkt paradox ist eine andere Schwäche des Wahlrechts: Stimmen für eine Person können dazu führen, dass sie genau wegen dieser Stimmen selbst kein Mandat erzielt – sondern jemand anderes. Dieser Effekt verkehrt die Intention des personenzentrierten Fünfstimmen-Wahlsystems in ihr Gegenteil und verzerrt so den Wählerwillen. Hochproblematisch  ist des Weiteren die Differenz für die notwendige durchschnittliche Stimmenzahl zur Erlangung eines Listenmandates und den wenigen Stimmen, die für die Erlangung eines Personenstimmenmandats notwendig sind. Wegen des fehlenden Erfolgsgleichwerts von Stimmen könnte das Wahlsystem sogar verfassungswidrig sein.

Dr. Valentin Schröder vom Zentrum für Sozialpolitik (ZeS) und Prof. Dr. Lothar Probst vom Arbeitsbereich Wahl-, Parteien- und Partizipationsforschung (AWaPP), beide Universität Bremen, stellen in der Bremischen Bürgerschaft ihre Analyseergebnisse der Wirkungen des Wahlsystems bei der Bürgerschaftswahl 2015 vor und diskutieren mögliche Reformvarianten. Die Pressekonferenz findet am Freitag, 29. Mai, 11.30 Uhr, Haus der Bürgerschaft (Raum 4), statt.

Medienvertreter sind herzlich eingeladen.