Dienstag, 11. August 2015

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2015 zur Versagung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts für die Zeugen Jehovas durch die Bremische Bürgerschaft

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die bereits am 30. Juni 2015 getroffen wurde, ist der Bürgerschaft erst heute bekannt geworden.


Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist sehr eindeutig. Danach ist Artikel 61 Satz 2 der Landesverfassung, der die Entscheidung über Verleihung des Körperschaftsstatus an eine Religionsgemeinschaft durch förmliches Gesetz vorsieht, verfassungswidrig und nichtig. Diese Vorschrift darf deshalb nicht mehr angewandt werden.


Begründet wird dies damit, dass die in Art. 61 S. 2 Bremische Landesverfassung vorgesehene Kompetenzzuweisung mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung unvereinbar sei. Die Vorschrift weise eine funktional der Verwaltung vorbehaltene Tätigkeit ohne zwingende Gründe dem Gesetzgeber zu. Die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts an eine Religionsgemeinschaft stelle den Erlass einer gebundenen Entscheidung im Wege des Verfassungsvollzugs dar. Indem die Bremische Bürgerschaft ermittle, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts vorliegen, erfülle sie damit funktional Aufgaben der Exekutive im Einzelfall. Sie habe nicht über Inhalt und Reichweite des ihrer Disposition entzogenen subjektiven Rechts der jeweils antragstellenden Religionsgemeinschaft zu entscheiden, sondern lediglich verfassungsrechtliche Vorgaben auf den Einzelfall anzuwenden.


Die Vorschrift des Art. 61 S. 2 Landesverfassung eröffne der Bremischen Bürgerschaft die Möglichkeit, Einzelpersonengesetze zu erlassen. Mittelbar würden durch diese Vorschrift zugleich die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen den Eingriff in die Religionsfreiheit verkürzt. Gegen Eingriffe, die unmittelbar durch den Erlass eines Gesetzes oder sein Unterlassen bewirkt werden, ist nur die Verfassungsbeschwerde möglich. Demgegenüber ist gegen Maßnahmen oder Untätigkeit der Verwaltung der fachgerichtliche Rechtsweg eröffnet. Da Art. 61 S. 2 den Erlass von Einzelpersonengesetzen nicht nur zulasse, sondern ihn geradezu verlange, stehe die Regelung im Widerspruch zu Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG, der einer Rechtsschutzverkürzung bei Grundrechtseingriffen entgegenwirken will.


Um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen wird die Bürgerschaft ein Gesetzgebungsverfahren auf den Weg bringen, um die Exekutive zu ermächtigen, den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verleihen zu können. Zur Änderung der Landesverfassung sind generell drei Lesungen im Gesetzgebungsverfahren erforderlich und – soweit die Änderungen über die redaktionelle Streichung des vom BVerfG für nichtig erklärten Artikels hinausgehen – die Einsetzung eines nicht-ständigen Ausschusses.


Bedauerlich ist aus Sicht der Bürgerschaft, dass das Bundesverfassungsgericht sich nicht inhaltlich mit der Frage beschäftigt hat, ob die Zeugen Jehovas die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anerkennung erfüllen. Diese Frage wird künftig der Senat und gegebenenfalls im Anschluss an eine Verwaltungsentscheidung die Gerichtsbarkeit beantworten müssen.