Freitag, 15. April 2016

Christian Weber zur Bürgerschaft vor 70 Jahren: Wiege unserer Werte

Am 17. April vor 70 Jahren tagte im Schwurgerichtssaal an der Domsheide erstmals nach dem Krieg die Bremische Bürgerschaft. „Das damals noch verordnete, aber bereits zukunftsorientierte und weitsichtige Gremium ist für mich die Wiege unserer heutigen Zivilgesellschaft, unser Leben in sozialer Gerechtigkeit und Demokratie, mit den Grundrechten auf Würde, Meinungsfreiheit, Gleichheit und körperlicher Unversehrtheit“, betont Bürgerschaftspräsident Christian Weber zu dem besonderen Datum. Die erste Bürgerschaft war von der Militärregierung ernannt worden. Zu den versammelten drei Frauen und 57 Männern gehörten auch die Senatsmitglieder; Gewaltenteilung existierte noch nicht. Christian Weber erinnert an den Vertreter der amerikanischen Besatzungsmacht, General Walker, der zu Beginn der Sitzung um 16 Uhr erklärt hatte: „Bremen werden seine alten Bürgerrechte und Freiheiten wiedergegeben.“

Während an jenem 17. April Bürgermeister Wilhelm Kaisen, der in Personalunion auch in der Bürgerschaft präsidierte, den „Aufbau eines neues Rechtszustandes, verankert in der demokratischen Verfassung“ und die Demokratisierung der Wirtschaft als zwei der dringendsten Aufgaben der Bremer Politik bezeichnete, brachte der spätere Präsident eines frei gewählten Parlaments, August Hagedorn, für alle drei vertretenen Fraktionen einen Entschließungsantrag ein. In diesem einstimmig angenommenen Dokument wurde gefordert, nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches einen Weg über jede Parteipolitik hinweg einzuschlagen, der „über die Wiedergutmachung zur sozialen und nationalen Neuordnung führt“. Der Antrag reklamierte die „Überwindung eigensüchtiger Privatinteressen sowie des Nationalsozialismus zur Herstellung der Einheit des Reiches, zur Sicherung der friedlichen demokratischen Entwicklung und zur Erringung der Anerkennung der Gleichberechtigung unter den Völkern der Welt.“

Bürgerschaftspräsident Christian Weber bezeichnet die Ergebnisse der ersten Bürgerschaftssitzung als „Vorboten für unsere Landesverfassung, die im Oktober 1947 anderthalb Jahre vor dem Grundgesetz in Kraft trat – mit einem frühen Sozial- und Rechtsstaatsmodell als verfassungspolitischen Appell. Und dieser gewinnt gerade in Zeiten der Globalisierung und Flüchtlingsbewegungen an Aktualität.“ Weber macht  darauf aufmerksam, dass die damaligen Abgeordneten in der Übergangsphase zwischen Waffenstillstand und Friedensvertrag und unter Aufsicht der Militärregierung nur wenige Ansprüche formulieren konnten. „Eines forderten sie allerdings sehr nachdrücklich: die Selbstverwaltung der Häfen als Treuhänderin des Reiches beibehalten zu wollen. Ihre Argumente sind noch heute gültig, wenn es darum geht, unsere Selbstständigkeit zu begründen, nämlich dass Bremen als einer der beiden großen nationalen Überseehäfen besondere Aufgaben für ganz Deutschland wahrnimmt, die es nur mit Hoheitsrechten und staatlicher Eigenständigkeit voll erfüllen kann.“