Montag, 25. September 2017

Bremische Bürgerschaft würdigt Leben und Werk von Günter Grass

„Günter Grass - grafisch, poetisch, politisch“ heißt eine multimediale Ausstellung vom 29. September bis 10. November 2017 in den Räumen der Bremischen Bürgerschaft. Anlass ist der Geburtstag des großen Schriftstellers und engagierten Bürgers, der sich am 16. Oktober zum 90. Mal jährt. Die Präsentation ist ein bunter Querschnitt durch den schier unerschöpflichen Schaffensfundus des Nobelpreisträgers von 1999. Einen Schwerpunkt bildet der politisch denkende und handelnde Günter Grass - sei es als Wahlkämpfer 1965 und 1969, als streitbarer Teil der literarisch-politischen Gruppe 47 oder als Mitherausgeber von L'76, einer Zeitschrift für Demokratie und Sozialismus.

Bürgerschaftspräsident Christian Weber, von dem die Idee zur Ausstellung stammt, meint: „Ich schätze Person und Werk Grass sehr. Was mich beeindruckt: Er hat nie eine Trennlinie zwischen Kunst, Kultur und Politik akzeptiert, sie sogar heftig kritisiert. Seiner Ansicht nach sollten sich Literaten in die praktische Politik einmischen. Was hätte uns Günter Grass wohl ins Stammbuch geschrieben, wenn er die jüngste Bundestagswahl noch erlebt hätte?“

Vielleicht Ähnliches wie in seiner Rede 1983 in der Frankfurter Paulskirche: „Deutsche Tradition weist nach, wie wenig das Wort des Schriftstellers galt und gilt, so gerne man sein Wort als schmückenden Zusatz zuließ und auch heutzutage ins Programm nimmt. Bedeutende Schriftsteller haben während der Zeit der Weimarer Republik frühzeitig vor der aufkommenden Barbarei gewarnt und Ihre Einsichten, notwendigerweise polemisch, öffentlich gemacht. Sie fanden kein Gehör - und finden es immer noch nicht. Man mag Straßen, Plätze, Schulen nach ihnen benennen: Heinrich und Thomas Mann, Döblin und Brecht sind Emigranten, sind fremd geblieben.“

Die Arbeiten von Grass werden drei Etagen der Bürgerschaft füllen: Aquarelle zu seinem Roman „Ein weites Feld“, Radierungen zu „Hundejahre“, dem letzten Werk seiner Danziger Trilogie, Allerlei aus „Fundsachen für Nichtleser" sowie Lithographien zum Gedichtband „Dummer August“. Video- und Tonaufnahmen ergänzen die Ausstellung. Zu hören und zu sehen sind Lesungen, Werkstattberichte, Gespräche und Begegnungen aus fünf Jahrzehnten.

Eine Besonderheit ist die eigens für die Ausstellung entwickelte App. Darüber lassen sich zusätzliche Informationen und Eindrücke - auch dreidimensional - herunterladen; eine virtuelle Ausstellung innerhalb der Ausstellung, hergestellt vom Institut für multimediale und interaktive Systeme der Universität zu Lübeck. 


Die Erinnerung an Günter Grass, der im April 2015 gestorben ist, wird in Bremen insbesondere durch das Günter Grass Medienarchiv aufrechterhalten. Seinerzeit schrieb er ins Gästebuch der Stiftung: „Hier fühle ich mich gut aufgehoben. Danke.“ Günter Grass soll sich in der Bremischen Bürgerschaft ebenfalls gut aufgehoben fühlen. Denn in der Vergangenheit wurde er in Bremen - mit Ausnahme seines Lieblingssenders Radio Bremen - nicht immer gut behandelt. 1959 erkannte ihm der Senat nachträglich den Bremer Literaturpreis für „Die Blechtrommel“ ab. Und 2003: Der ambitionierte Wahlkämpfer Grass hatte sich angeboten, die SPD im Bürgerschaftswahlkampf aktiv zu unterstützen. Die Partei lehnte ab, die im Schlachthof für den Grass-Auftritt reservierten Räume wurden storniert.

„Günter Grass – grafisch, poetisch, politisch“ ist eine Ausstellung der Bremischen Bürgerschaft in Zusammenarbeit mit Günter und Ute Grass Stiftung Lübeck, Günter Grass Medienarchiv Bremen, Akademie der Künste Berlin, Steidl Verlag Göttingen, Institut für multimediale und interaktive Systeme der Universität zu Lübeck, dem Medienarchiv Sulzbach-Rosenberg und Radio Bremen als Medienpartner.

Die Ausstellung ist geöffnet von montags bis freitags, 10 bis 17 Uhr. Geschlossen bleibt sie am 3. und 31. Oktober sowie am 8. und 9. November. 

Die Grafik ist eine "Hommage an Günter Grass" und stammt von der Bremer Künstlerin Marietta Armena.   


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