Weihnachtsansprache des Bürgerschaftspräsidenten
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
in dieser Vorweihnachtszeit habe ich Israel besucht, Bethlehem und unsere Partnerstadt Haifa. Dort feiern die Menschen im Dezember das Fest der Feste – und das bereits seit 20 Jahren. Was ist das Besondere an „Holiday of Holidays“? In Haifa leben Angehörige der verschiedensten Religionen und Ethnien friedlich zusammen: Juden, Muslime, Christen, Drusen und Bahais. Die Synagoge steht in direkter Nachbarschaft der Kirche und der Moschee. Und im Dezember wird selbstverständlich das Weihnachtsfest gemeinsam zelebriert. Für alle ist es ein Ereignis des Innehaltens, ein Fest der Familien, der Verwandten und Freunde. Multikultur und Toleranz funktionieren hier. Mehr noch: Beides hat bereits eine lange Tradition. Damit demonstriert die Stadt eine für die Region erstaunlich breite, liberale Öffnung in die Welt. Signale für Frieden und Verständigung im Nahen Osten.
In Haifa fühlte ich mich an Lessings „Nathan den Weisen“ erinnert, ein interreligiöses Stück, das – wie es heißt – unter „allseitigen Umarmungen“ des Juden mit dem Christen und dem Moslem endet. Mit der „Ringparabel“ hat Lessing die Gleichberechtigung der großen Glaubensgemeinschaften in ein überzeugendes Gleichnis gepackt, auch in dem Bewusstsein, dass es die einzig wahre Religion nicht gibt. Zwar ist große Literatur nicht gleich gelebte Realität. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass trotz mancher Unwägbarkeiten das Zusammenleben verschiedener Religionen und Kulturen nötig und möglich ist.
Menschen wollen in Frieden, Recht und Freiheit leben, Gesellschaften sind bunt geworden und von Vielfalt gekennzeichnet, gerade auch in Bremen. Deshalb haben wir in diesem Jahr beispielsweise das Gesetz über die Sonn- und Feiertage geändert. Darin enthalten ist ein Artikel, der die islamischen Feiertage Opferfest, Ramadanfest und Aschura den christlichen und jüdischen Feiertagen gleichstellt. Ein wichtiger Beitrag für das Zusammenwachsen unterschiedlicher Kulturen und Religionen im Land. In manchen Stadtteilen leben und arbeiten bis zu 120 verschiedene Nationalitäten und – sie tun es zunehmend miteinander. Ja, jeder soll weiterhin auf seine Religion bauen, die ihm vertraut ist, auf ihre Spiritualität und Rituale. Dabei möge er andere Religionen aber nicht nur dulden, sondern sie respektieren.
Darüber gelingen gesellschaftlicher Zusammenhalt und Alltagsbewältigung. Indem wir hinschauen und helfen, wenn Mitmenschen in Not geraten. Indem wir Rücksicht nehmen auf ältere Frauen und Männer, auf Schwache und auf Kinder. Indem wir uns offen und solidarisch zeigen gegenüber Menschen, die fremd sind in unserer Stadt. Für viele von uns ist die Weihnachtsbotschaft nach wie vor wichtig. Dabei ändert es nichts, ob sie religiös oder weltlich verstanden wird: Die Botschaft betont das Gute und den Neuanfang. Sie enthält Hoffnung, Ermutigung und Stärkung unserer eigenen Kräfte. Weihnachten verbindet über Religionsgrenzen hinweg, es verbindet Menschen, die sich einladen, treffen und beschenken – beschenken vor allem mit Zuwendung und Anerkennung. Bauen wir jeden Tag Brücken, jenseits der großen Politik, schaffen wir Vertrauen für ein friedliches und freundschaftliches Neben- und Miteinander der Kulturen und Religionen.
Ich wünsche Ihnen allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest!