Dienstag, 09. November 2021

Erinnerung an Opfer der Novemberpogrome

Mit einer Gedenkstunde am Mahnmal in der Dechanatstraße haben Mitglieder der Bremischen Bürgerschaft heute an die Opfer der Pogrome am 9. November 1938 erinnert. Fünf Bremer Jüdinnen und Juden waren von den Nationalsozialisten ermordet worden. Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff erinnerte in seiner Rede an die Opfer und die Geschehnisse und Auswirkungen jener Nacht.

"Sie dürfen nicht untergehen in einer Statistik anonymer Opfer, ohne Namen, ohne Gesicht. Sondern sie haben eine Geschichte. Sie waren Bremerinnen und Bremer, sie waren Nachbarn, Bekannte, Freunde und Familienmitglieder. Sie waren Menschen wie wir. Mit Träumen, mit Zukunftswünschen und Zielen. Sie wurden in dieser Nacht ermordet, weil ein verbrecherisches Regime ein Feindbild brauchte, um Hass zu säen", machte Frank Imhoff in seiner Ansprache deutlich.

Er thematisierte außerdem die Zukunft der Gedenkarbeit, die zunehmend ohne Zeitzeugen auskommen müsse. Es sei richtig, Formate des Erinnerns kritisch zu hinterfragen und anzupassen. Gleichwohl sei das Erinnern, auch das ritualisierte, ein wichtiger Anker der Aufklärungs- und Gedenkarbeit. "Gedenktage zwingen uns förmlich, uns mit dem Geschehenen auseinanderzusetzen – und es auch auszuhalten", so Imhoff.

Als Gastredner hatte die Bürgerschaft in diesem Jahr den Autor und Journalisten Dr. Ronen Steinke eingeladen. Dieser führt in seinem Buch "Terror gegen Juden" eine Chronologie judenfeindlicher Straftaten und Übergriffe nach 1945 in Deutschland auf. Es handelt sich dabei um Beleidigungen und Bedrohungen, über Ausgrenzungen, Schmierereien und Schändungen bis hin zu schweren Körperverletzungen. "Ich finde es beschämend, dass es uns offensichtlich nicht gelingt, unsere Mitmenschen vor diesen Taten ausreichend zu schützen", so Imhoff.

"Jüdisches Leben in Deutschland, das ist heute Religionsausübung im Belagerungszustand", sagte Steinke in seiner Rede. "Nach 72 Jahren Demokratie, nach 72 Jahren Grundgesetz, Rechtsstaat, Wohlstand muss man das so festhalten." Steinke warb eindringlich dafür, sich mit diesem Zustand nicht abzufinden. Jüdisches Leben müsse sichtbarer gemacht werden. Oftmals tauchten Juden in der Schule ausschließlich im Geschichtsunterricht und nur im Zeitraum 1933 bis 1945 auf. Aus seiner Sicht trage außerdem mangelndes Vertrauen von Jüdinnnen und Juden gegenüber der Polizei dazu bei, dass viele antisemitischen Straftaten gar nicht oder zu spät zur Anzeige gebracht würden.

Landesrabbiner Netanel Teitelbaum schloss die Veranstaltung mit einem Gebet.

Anliegend finden Sie die Rede von Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff.