Dienstag, 15. Mai 2012

„Augen für das Unsichtbare“ – Beispiel Niederlande Thema im Untersuchungsausschuss

Heute (15. Mai) hat der Untersuchungsausschuss „Krankenhauskeime“ in seiner 21. öffentlichen Beweisaufnahme am Vormittag den Mediziner Dr. Martin Götz, Referatsleiter bei der Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit, angehört. Das Referat von Dr. Götz ist neben anderen Aufgaben für den Infektionsschutz in Bremen und Bremerhaven zuständig. Er „brach eine Lanze“ für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen den verschiedenen für den Infektionsschutz zuständigen Stellen von der Behörde der Senatorin über das Gesundheitsamt bis hin zu Feuerwehr und Polizei. Verschiedene Szenarien in der Vergangenheit hätten belegt, dass alle Verantwortlichen wegen flacher Hierarchien und kurzer Wege innerhalb von nur zwei Stunden bei Keimausbrüchen und möglichen Katastrophenfällen zusammen kommen und die notwendigen Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung ergreifen können.

Dass die Behörde bei den Keimvorfällen auf der Neonatologie erst sehr spät informiert wurde, sei ein Fehler gewesen. Diesen Vorfall habe das Ressort daher zum Anlass genommen, die Meldewege zu überprüfen und in der Bearbeitung zu intensivieren. Verschiedene Regelungen in Geschäftsverteilungsplänen, Zuständigkeitszuordnungen und Meldevorschriften seien als klarstellungsbedürftig erkannt, Folgerungen aus dem im Sommer 2011 neu gefassten Infektionsschutzgesetz zu spät gezogen worden. Das Gesundheitsamt sei als Landeskompetenzzentrum jedoch die richtige Stelle, Keimvorfälle zur Kenntnis zu erhalten, weiter zu melden - auch an das RKI - und zu bearbeiten. Die notwendige Fachlichkeit sei dort vorhanden, eine personelle Verstärkung zur kontinuierlicheren Überwachung der Krankenhäuser als bisher werde derzeit geprüft. Eine Fachaufsicht über das Institut für Allgemeine Hygiene, Krankenhaushygiene und Umwelthygiene habe das Ressort nicht. Sie liege bei der Klinik, der das Institut zugeordnet sei, und bei der GeNo. Sein Referat habe auf die Entlassung des Institutsleiters daher auch keinerlei Einfluss genommen und sei daran auch nicht beteiligt gewesen.

Am Nachmittag setzte der Untersuchungsausschuss seine Beweisaufnahme mit der Vernehmung des Sachverständigen Prof. Dr. Alexander Friedrich vom Universitätsklinikum Groningen fort. Von ihm wollte der Ausschuss Auskunft hinsichtlich der Problematik multiresistenter Keime in den Niederlanden erhalten. Diese sei erheblich weniger ausgeprägt, so Prof. Friedrich, und vorrangig auf den flächendeckenden Einsatz von mikrobiologisch ausgebildeten Ärzten in allen Krankenhäusern - im Verhältnis zur Bettenzahl etwa sechs-mal mehr als in Deutschland - sowie auf eine spezialisierte Inspektionsstruktur zurückzuführen. Prof. Friedrich nannte dies das Prinzip der „Augen für das Unsichtbare“. Daraus sowie aus der Einbindung aller Fachärzte in die Kliniken und eines Systems viel spezifischerer Antibiotikavergabe entstehe eine besonders auf Vorbeugung ausgerichtete Kultur in den niederländischen Kliniken. Um in Deutschland in diese Richtung voran zu kommen, sei vor allem die Schaffung von Perspektiven in der Aus- und Weiterbildung für die medizinische Mikrobiologie notwendig. Das System funktioniere bereits sehr gut in Fällen von MRSA, jedoch nicht so sehr bei ESBL-Bildnern, die über die Landwirtschaft auch in den Niederlanden zunehmend verbreitet seien. Der Ausschuss hatte bereits am Vormittag Dr. Götz zu dem MRSA-Netzwerk befragt, bei dem Bremen, so Dr. Götz, in einer Vorreiterrolle in Deutschland sei und das auf weitere multiresistente Erreger ausgeweitet werden solle. Ziel eines solchen Netzwerks, so Prof. Friedrich, sei die Umsetzung niederländischer Erfahrungen auf das andersartige und mit viel mehr Akteuren ausgestattete deutsche Gesundheitswesen. Das niederländische Gesundheitswesen kenne viel weniger und größere Krankenhäuser als Deutschland und keine niedergelassenen Fachärzte. Dies sei jedoch sehr personalintensiv und müsse sich deswegen zunehmend rechtfertigen, da die Nachbarländer mit weniger Personal auskommen.